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Fische | 04.03.08, 23:10
Was ist eigentlich ein Schwarmfisch?
Immer wieder liest man von vermeintlichen Schwarmfischen, aber nur Wenigen (eingeschlossen war ich auch) ist wohl bewusst, was einen „echten“ Schwarmfisch ausmacht. Daher habe ich mich mit dem Thema auseinander gesetzt und den „echten“ Schwarmfisch, der durch ganz bestimmte klare Faktoren gekennzeichnet ist, nachfolgend näher beschrieben. Daneben gibt es noch „unechte“ Schwarmfische, gesellig und in Kolonien lebende Fische, Elternfamilie sowie einzeln lebende Tiere, die von den Faktoren der „echten Schwarmfische her leicht bzw. fast völlig abweichen.
Ein Artikel von knutschi83.
Rotkopfsalmler zählen zu den wenigen "echten" Schwarmfischen im Süßwasser
Das Paradebeispiel eines „echten“ Schwarmfisches ist der Hering, der den Schwarm sein Leben lang nicht verlässt. Beispiele für einen „echten“ Schwarmfisch im Süßwasser ist die Haibarbe (Balantiocheilos melanopterus) oder der Rotkopfsalmler (P. georgiae, H. bleheri, H. rhodostomus). Bei den Schrägschwimmern der Gattung Thayeria werden noch überwiegend die Kriterien eines „echten“ Schwarmfisches erfüllt.
Da Schwarmfische ein angeborenes Bedürfnis für Artgenossen haben, sprechen Verhaltensforscher auch von „sozialer Attraktion“. Einen Fischschwarm im Allgemeinen zeichnet der gleiche soziale Rang der einzelnen Tiere aus sowie das Ausführen gleicher Tätigkeiten zur gleichen Zeit. Der gleiche soziale Rang schließt dabei Kämpfe unter Schwarmartgenossen aus. Letztendlich bietet der Schwarmzusammenhalt Schutz vor Feinden. Auch hat ein typischer Fischschwarm keinen Anführer.
„Echte“ Schwarmfische im engeren Sinne kommen im Süßwasser eher selten vor. Rein wissenschaftlich betrachtet, ist der Schwarm durch klare Faktoren gekennzeichnet. Nur wenn alle diese Faktoren zutreffen, kann man von „echten“ Schwarmfischen sprechen:
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Konstanter Individualabstand
Eine wichtige Rolle bei „echten“ Schwarmfischen spielt der konstante Individualabstand. Hierbei halten die einzelnen Fische einen konstanten Mindestabstand zueinander, der etwa der Körperlänge der Fische entspricht. Hierbei heißt konstanter Abstand aber nicht, dass die Fische cm-genau nebeneinander schwimmen, sondern vielmehr, dass sie sich in einem relativ engen Band bewegen.
Desorientierung isolierter Tiere
Bei vereinzelten Fischen, die sich im Schwarm bewegen - meist bei den am Rand schwimmenden Fischen -, ist die Gefahr des Erbeutetwerdens erheblich höher – sie stehen unter einem sehr hohen Feinddruck. Diese isolierten Fische stehen unter einem sehr hohen Stress, was sich im Verhalten durch Desorientierung oder panischem Verhalten auszeichnet. Es muss dabei nicht unbedingt ein Fressfeind in der Nähe sein. Bereits wenn der betroffene Fisch merkt, dass er von seinem Schwarm isoliert ist, also sich nicht mehr im Schwarm befindet, löst dies bei dem betroffenen Fisch einen enormen Stress aus. Da Schwarmfische also ständig der Gefahr ausgeliefert sind, isoliert zu werden, werden sie alles daran setzen, den schützenden Schwarm nie zu verlassen. In einem Schwarm sind die randlichen Fische immer einem höheren Stress ausgesetzt, als die Tiere, die sich im Zentrum des Schwarms befinden. Dieser „Dauerstress“ verursacht gleichzeitig jedoch die engere Bindung der randlichen Fische an den Schwarm.
In diesem Punkt kann man beispielsweise einen „echten“ Schwarmfisch von einem „unechten“ Schwarmfisch unterscheiden. Während isolierte „echte“ Schwarmfische erheblich desorientiert sind und dadurch das gesamte Verhalten des Tieres bestimmt wird, kommt es hingegen bei isolierten „unechten“ Schwarmfischen zur Ausbildung anderer Verhaltensweisen, was sich z. B. durch eine kleine Revierabgrenzung der männlichen Tiere zeigt.
Koordinierte Bewegung des gesamten Schwarmes
In einem Schwarm haben sich die Einzeltiere dem Verhalten des Schwarms unterzuordnen. Der Schwarm hat einheitlich und als Ganzes zu reagieren. Voraussetzung hierfür ist die feine Abstimmung des Schwimmverhaltens des Schwarms und damit jedes einzelnen Fisches.
Kommunikation zwischen den Fischen eines Schwarms
Für ein koordiniertes Verhalten im Schwarm ist die Kommunikation zwischen den einzelnen Fischen zwingende Voraussetzung. Hierüber gibt es ganze Reihen von Hypothesen, Beobachtungen und nur wenige konkrete Untersuchungen.
Beim Paradebeispiel Hering werden die Informationen vermutlich über die Wellen im Wasser mit dem Seitenlinienorgan aufgenommen.
Jedoch gibt es auch andere Signalmuster wie zum Beispiel das auffallend schwarz-weiß gestreifte Schwanzflossen-Muster der Rotkopf- und Rotmaulsalmler (P. georgiae, H. bleheri, H. rhodostomus). Dies trifft auch auf andere schwarmbildende Fische aus ganz anderen Verwandtschaftskreisen zu, wie z.B. beim Dreilinienbärbling (Rasbora trilineata). Bei den Keilfleckbärblingen aus der Gattung Trigonostigma wiederum ist es konkret der schwarze Keil in der hinteren Körperhälfte.
Lebenslange Orientierung im Schwarm
Aufgrund der ständig unter Stress stehenden isolierten Tiere ist deren Verhalten immer darauf ausgerichtet, sich wieder dem Schwarm anzuschließen. Isolierte Tiere sind wegen des hohen Stressfaktors auch auf die Fortpflanzung sowie die Nahrungsaufnahme im Schwarm angewiesen. Damit es überhaupt nicht zu der Isolation von fortpflanzungswilligen Paaren kommt, laichen „echte“ Schwarmfische im Schwarm ab oder zumindest aus dem Schwarm heraus.
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Wie bereits in der Einleitung aufgeführt, zählen zu den „echten“ Schwarmfischen im Süßwasser die Haibarben (Balantiocheilos melanopterus) oder die Rotkopfsalmler (P. georgiae, H. bleheri, H. rhodostomus). Bei den Schrägschwimmern der Gattung Thayeria werden noch überwiegend die Kriterien eines „echten“ Schwarmfisches erfüllt. Auch der Keilfleckbärbling der Gattung Trigonostigma zählt zu den Schwarmfischen, jedoch weicht er hinsichtlich der Fortpflanzung (Paare werden abgegrenzt und komplizierter Laichakt) bereits ab und gehört daher bereits eher in das Übergangsfeld der „unechten“ Schwarmfische.
Neben den „echten“ Schwarmfischen, die sich durch alle oben aufgeführte Punkte auszeichnen, gibt es auch „unechte“ Schwarmfische, die zwar zahlreiche Kriterien eines „echten“ Schwarmfisches erfüllen, jedoch in einigen wichtigen Punkten abweichen. So zeigen „unechte“ Schwarmfische in großen Gruppen bei bedrohenden Faktoren Tendenzen zur Schwarmbildung, in kleineren Gruppen oder bei Ausbleiben störender Faktoren ändern sich die Verhaltensweisen. Allerdings stehen diese Tiere nie unter hohem Stress oder schwimmen gar desorientiert im Raum.
Zu dieser Gruppe gehören die meisten Süßwasser-Aquarienfische aus der Ordnung der Salmler (Characiformes) und Barben (Cypriniformes). Das bekannteste Beispiel sind die Neonsalmler (Paracheirodon axelrodi, P. innesi und P. simulans), sowie viele Arten aus den Gattungen Hyphessobrycon, Moenkhausia, Phenacogrammus, Barbus, Puntius und Rasbora.
Bei den Ziersalmlern der Gattung Nannostomus (Südamerika) und der parallelen Gattung Neolebias (Westafrika) kommen einige Abweichungen zum „echten“ Schwarmfisch recht deutlich zum Ausdruck. Die männlichen Tiere grenzen – auch in größeren Gruppen – Reviere von 10-20 cm Durchmesser ab, die sie dann gegen männliche Artgenossen verteidigen. Diese Kämpfe zwischen rivalisierenden Artgenossen gehören auch zum abweichenden Verhaltensmuster.
Dann gibt es noch die gesellig lebenden Fische zu denen die Panzerwelse der Gattungen Aspidoras, Brochis und Corydoras oder eine Reihe von Schmerlen der Gattung Botia gehören. Diese Tieren leben in der Natur zu mehreren Hundert bis Tausend Fischen in sogenannten „Schulen“ zusammen. Gemeinsame Aktivitäten wie z. B. die Nahrungsaufnahme auf offenen ungeschützten Nahrungsuntergründen (Sandbank) bieten in diesen Schulen bzw. großen Gruppen entsprechenden Schutz. Auch eine schnellere Partnerwahl bei der Fortpflanzung ist ein weiterer Vorteil für das Zusammenleben in Schulen.
Allerdings sollten gesellig lebende Tiere niemals einzeln oder paarweise im Aquarium gehalten werden, da wesentliche Sozialverhaltensweisen nicht mehr ausgelebt werden können. Von einer Gruppenhaltung bei Panzerwelsen kann man etwa ab 8-15 Tieren sprechen, bei Schmerlen hingegen ist dies von Art zu Art unterschiedlich. Jedoch muss man bei den Schmerlen beachten, dass nicht alle Arten gesellig lebende Tiere sind, sondern es auch deutlich aggressivere Vertreter gibt.
Weiterhin gibt es Fischarten, die in sogenannten Kolonien leben. Wobei hier vereinfacht die Fortpflanzungsgemeinschaft zu verstehen ist. Zwergbuntbarsche der Gattungen Apistogramma und Nannacara sind hierfür die wohl bekanntesten Beispiele. Hierbei gliedern sich mehrere Weibchen in das von einem Männchen gebildete Großrevier ein und teilen es durch Unterreviere weiter auf. Der biologische Vorteil hierbei ist die nach außen klar abgegrenzte Lebensgemeinschaft, die Wahrscheinlichkeit der Fortpflanzung ist höher und aufgrund der gemeinsamen Revierverteidigung sind Verluste des Nachwuchses – beispielsweise durch Fressfeinde - geringer. Jedoch funktioniert dies nur dort, wo auch genug Nahrung für den Nachwuchs vorhanden ist.
Es gibt auch viele Buntbarsche, die klassische Elternfamilien bilden. Hierbei grenzt ein Paar ein großes Revier ab und die Elterntiere kümmern sich gemeinsam um den Nachwuchs, wobei es auch zur Verteilung einzelner Aufgaben kommt. Das Weibchen kümmert sich vermehrt um die Brut, wohingegen das Männchen das abgegrenzte Revier verteidigt. Klassische Beispiele sind der Skalar (Pterophyllum scalare und Pt. altum), Diskusbuntbarsch (Symphysodon discus und S. aequifasciata), Arten aus der ehemaligen Großgattung Cichlasoma und viele mehr.
Es gibt auch Fischarten, bei denen sich ein Partner allein um die Aufzucht der Jungen kümmert. Hierzu zählen z.B. die Labyrinthfische, wo die männlichen Tiere die Brutpflege übernehmen und die Partnerin nicht im Territorium geduldet wird.
Darüber hinaus gibt es noch solitär lebende (also einzeln lebende) Tiere.
Ein einheitliches Schema zu entwickeln, wann sich Tiere zu individuellem Leben ohne direkten Kontakt zu Artgenossen entwickelt haben, ist ziemlich schwierig. Zu den einzeln lebenden Tieren zählen z.B. Harnischwelse aber auch Dornwelse (Doradidae) oder Fiederbartwelse (Mochokidae). Diese Tiere führen ein offenes oder verstecktes Leben, weitgehend allein. Manche grenzen auch ihre Reviere ab.
Ohne Schwierigkeiten sind jedoch nicht alle Fische in ihrem Sozialverhalten einer Gruppe zuzuordnen. Zwischen den einzelnen oben aufgeführten Stufen kommt es zur Ausbildung von Übergangsformen aber auch zu zeitlich befristeter Gruppenbildung. Dies gilt beispielsweise für Jungfische einiger Buntbarsche, die als juvenile oder subadulte Tiere in Schulen oder Großgruppen zusammenleben, als adulte, fortpflanzungsfähige Tiere jedoch von der Gruppe abgegrenzte Reviere besetzen. Hierzu zählen beispielsweise Diskusbuntbarsche und Skalare.
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Ich hoffe sehr, dass ich Euch einen Einblick in das Thema „echte“ und „unechte“ Schwarmfische geben konnte und endlich Licht ins Dunkle gebracht habe.
Eure knutschi83
Quelle:
- www.scalare-online.de
- Buch „Fischverhalten“ von Jörg Vierke
(Vielen Dank an Pete für die Zurverfügungstellung des Buchkapitels)
Bildquelle:
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Kommentare
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Kommentar
» Gepostet von Gelöschter User, 29.05.13, 00:47
Ja der Hammer, vielen Dank. Toll und ansprechend geschrieben, leicht verständlich aber sehr detailliert.
Zwölfundsiebzig Sterne
Kommentar
» Gepostet von nana280286, 14.02.13, 22:37
Das ist ja wirklich ein interessanter Artikel. Danke knutschi83!
_________________ [link]
Meins!!! neue Bilder/Pflanzen (04.03.13)
Kommentar
» Gepostet von totto, 17.08.09, 00:16
Den einzigen echten Schwarmfich der mir bei bald 30 Jahren Aquarien unter gekommen ist ist der Leuchtaugenbärbling (Rasbora dorsiocellata macrophthalma). Aus dem ehemals 15 Tieren sind jetzt leider über die Jahre nur 3 über geblieben welche immer noch im Schwarm schwimmen. Finde im Raum Hannover bis Osnabrück nur keine neuen Tiere
[URL=http://s8.directupload.net/file/d/1889/qbnglxp8_jpg.htm][IMG][link]
_________________ Gruß
Totto
[link]

Kommentar
» Gepostet von Gruberline, 27.01.09, 14:09
Ein wirklich schöner Artikel. Gut geschrieben.
Hätte ich ihn doch nur ehr gelesen. Dann würde in meinem AQ jetzt kein "Schwarm" roter Phantomsalmler wohnen. Die angeblichen Schwarmfische sitzen jeder in seiner Ecke und kommen nur zum Fressen mal gemeinschaftlich raus.
LG
Alex
_________________ LG
Alex
Kommentar
» Gepostet von Fat Molly, 07.03.08, 09:16
Es war mir eine Freude Deinen Artikel zu lesen! Informativ, gut strukturiert, kurzweilig ... Besser gehts nicht!
LG Aniger
_________________ [link]
[link]
Kommentar
» Gepostet von knutschi83, 05.03.08, 22:12
Hallo Pete,
vielen lieben Dank für Dein Kommentar! Freut mich sehr, dass Dir der Artikel gefällt *rotwerd*.
Viele LG Dani
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Hallo Joe,
freut mich, dass Dich das Thema interessiert.
Leider verstehe ich jedoch Deinen Teilsatz nicht: "Wieviel wirklich von Dir ist, habe ich mal nicht gecheckt,..." Wie meinst Du das? Ist doch eigentlich klar, dass man sich die Informationen für ein solches Thema zusammensucht und dann einen Artikel selbst formuliert und zusammenstellt. Ich kann mir ja nix neues ausdenken und darüber hinaus bin ich ja auch keine Wissenschaftlicherin
LG Dani
_________________ ZWERGKRALLENFROSCH-Artenbecken: [link]
Mein ZKF-Aufzuchtsbecken: [link]
Mein erstes Aqua: [link]
"Glück entsteht oft durch Aufmerksamkeit in kleinen Dingen,
Unglück oft durch Vernachlässigung kleiner Dinge." [Wilhelm Busch]
Top!
» Gepostet von Pete, 05.03.08, 08:12
Sehr schöne und gut formulierte Ausarbeitung, sehr interessant zu lesen!
Da werden auch mal die Hintergründe klar, warum ein Schwarmfisch nicht alleine gehalten werden sollte oder in zu kleinen Gruppen.
Tolles Thema, toller Artikel .
Fein gemacht!
_________________ Gruß, Peter
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Super
» Gepostet von joe, 04.03.08, 23:40
Klasse, dass mal jemand dieses hochinteressante Thema in dieser Ausführlichkeit darstellt. Grade auch hier, wo viele immer noch meinen, ein Schwarm sei eine Gruppe von 7
Salmlern. Wieviel wirklich von Dir ist, hab ich mal nicht gecheckt, aber für das Thema und das Engagement erst mal 9 Punkte von mit. Gruss, Joe
_________________ jk
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12.05.25 | 08:12 Uhr
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