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Fische | 04.03.15, 01:38

Was auch mal gesagt werden muss

Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, aber das ist es offenbar nicht. Auch wenn im Off-Topic gelegentlich ganz andere Fragestellungen problematisiert werden, so dient dieses Forum im Wesentlichen vor allem dem Ziel der Beratung von Aquarianern – darüber, wie man Fische artgerecht hält. Aber was ist artgerecht? Ist die Aquaristikbranche nur eine Gelddruckmaschine auf Kosten der Tiere, oder kann sie gar einen Beitrag zur Naturverbundenheit der Menschen leisten? Es ist Zeit, auch einmal einige kritische Worte zum Thema Tierschutz und Artgerechtigkeit zu verlieren.

Ein Artikel von Mopani.

Was auch mal gesagt werden muss
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Keine Laune der Natur, der Schleierschwanz-Kampffisch

Nicht jedem angehenden Fischhalter scheint klar zu sein, dass mit dem Kauf eines Aquariums auch jene Verantwortung einhergeht, die jeder Tierhalter trägt, der Lebewesen in seiner Obhut hat. Fische sind dabei nicht mehr und nicht weniger wichtig als Hunde oder Vögel, ihnen allen ist gemein, dass sie eben keine Möbelstücke sind, mit denen der Käufer ganz nach Belieben verfahren kann. Denn Lebewesen wie Fische haben Bedürfnisse. Und nicht nur das: sie besitzen eine Würde, auf die der Halter Rücksicht nehmen muss. Es ist daher seine Verpflichtung, seine Tiere artgerecht zu halten.

Was genau artgerecht bedeutet, kann man schwerlich ganz objektiv klären, da man nicht in der Haut des Fisches steckt. Klar ist aber, dass man das im Falle vieler kläglich durchs Leben dümpelnder Individuen auch oft nicht wollen würde. Häufig betritt man einen Zoohandel und sieht tote, manchmal von ihren eigenen Artgenossen angeknabberte, Fische, um die sich kein Angestellter zu kümmern scheint. Auch beim Besuch manches neuen Bekannten fällt dessen Zimmerschmuck auf, hinter dessen Glasscheibe träge schaukelnd einige Wasserbewohner apathisch in jenem Element ihre Bahnen ziehen, für das sie eigentlich geschaffen sind. Doch in solchen Becken ist es für sie infolge mangelhafter Pflege zur lebensfeindlichen Umgebung geworden. Auch das asiatische Restaurant an der Ecke bietet oft Anlass zur Sorge – sei es wegen des mehr oder weniger frischen Schuppentiers auf dem Teller oder des ebenfalls wenig gesund wirkenden Goldfisches in der Ecke, der ja eigentlich Wohlstand und Glück verheißen soll. Mit diesen und ähnlichen Beispielen könnte sicher jeder fortfahren.

Doch das ist es nicht, was jährlich eine sechsstellige Zahl Menschen in Deutschland dazu bewegt, sich dem Hobby Aquaristik zuzuwenden. Sie träumen von einem Stück Amazonas im Wohnzimmer, bunten Barben oder brütenden Buntbarschen. Sie wollen ihre Kinder an die Natur heranführen und Verhaltensbeobachtungen durchführen. Sind diese Motive nicht berechtigt? Zumindest sollte man dazu bereit sein, sich der Frage nach der Artgerechtigkeit zu stellen, um herauszufinden, warum dennoch viele Tiere so elend enden.

Gestehen wir es uns zunächst ein: wir schaffen uns Fische aus Eigennutz an, nicht um ihretwillen. Aber heißt das, dass wir sie auch als unser Eigentum so behandeln dürfen, wie wir wollen?

Moral sollte hierbei der Grundpfeiler unserer Anschauungen sein, doch auch gesetzlich wird den Bedürfnissen des Tieres zumindest ansatzweise Rechnung getragen. Paragraph 90a BGB regelt: „Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt.“ Weiterhin gilt allerdings, dass auf sie die für Sachen geltenden Vorschriften Anwendung finden. Das Tierschutzgesetz soll verhindern, dass Tieren unnötiges Leid zugefügt wird. Dennoch liegt es primär in den Händen des mehr oder weniger fachkundigen Halters, seinen Tieren ein angemessenes Leben zu bereiten.

Fachwissen ist unverzichtbar, um sich ein Bild davon zu machen, was artgerecht in Hinsicht auf die gehaltenen Fische bedeuten könnte. Wie viel Platz brauchen sie? Mit welchen Arten kann ich sie vergesellschaften? Welches Futter brauchen sie? Viele Punkte sind zu bedenken, will man dem Lebewesen ein seiner Natur gemäßes Leben bereiten.

Doch die Frage nach der Ethik der Aquaristik beginnt schon viel früher, nämlich im Zoohandel. Hier liegt die Macht des Käufers. Durch sein Geld, das über die Ladentheke wandert, bestimmt er, welche Praktiken er unterstützt und welche nicht. Umso notwendiger ist es, sich Gedanken zu machen, aus welchen Quellen wir unsere Produkte und schlussendlich auch unsere Heimtiere beziehen.
Die meisten Zierfische stammen aus Südostasien oder Osteuropa, ein Sonderfall sind Wildfänge.

Letztere werden, wie der Name schon sagt, im Jugendalter der Natur entnommen, sei es zur Auffrischung des Genpools in Gefangenschaft oder weil sie in menschlicher Hand nicht vermehrbar sind. Rote Neons (Paracheirodon axelrodi), die mit beliebteste Süßwasserfischart, ist ein Beispiel dafür. Da ihre Vermehrung in Gefangenschaft als sehr schwierig gilt, stammt der Großteil der im Zooladen erhältlichen Roten Neons aus der freien Wildbahn, dem Einzugsgebiet des Rio Negro in Brasilien. Dort hat sich ein belebter Handel um die kleinen Fische gebildet, an dem auch menschliche Arbeitsplätze und viel Geld hängen. Sogar Regenwaldschutz ist dem Roten Neon geschuldet, da die Ökosysteme bewusst intakt gehalten werden, damit sich die Salmler dort vermehren und auch zukünftig abgefischt werden können.

Viele Aquarianer heben diesen Punkt gerne hervor, doch wenn man im Sinne dieses Artikels diese Praxis kritisch hinterfragt, ergibt sich ein widersprüchlicheres Bild: was bedeutet es für eine Kreatur, ihrer Heimat entrissen zu werden, in Plastiktüten um den halben Globus transportiert zu werden und schließlich über viele Zwischenstationen den Weg in ein Aquarium zu finden, in dem nichts so ist wie es im Amazonasgebiet war?

Schließlich spiegelt zwar das Aquarium idealerweise annähernd natürliche Gegebenheiten wider, doch die Möglichkeiten sind hierbei trotz der Bemühungen vieler Aquarianer stark beschränkt. Schwarzwasser und meterdicke Schlammschichten auf dem Boden sind nun einmal kaum zu imitieren und zudem wenig ansehnlich. Die Biotope, die wir unseren Fischen bieten, sind daher völlig künstliche Projektionen menschlichen Schönheitsempfindens und oft genug Ausdruck unserer Unfähigkeit, uns in unsere Schützlinge einzufühlen, wie es Schatztruhen und Seesternimitate im Süßwasseraquarium oftmals demonstrieren.
Bis zu einem gewissen Grad hat das Aquarium ja auch den Sinn, seine menschlichen Betrachter zu erfreuen, wogegen auch nichts einzuwenden ist, solange es den Anforderungen der Bewohner entspricht. Welse brauchen Höhlen, ob es sich dabei um eine Moorkienwurzel oder einen Blumentopf handelt, ist dem Fisch dabei egal. Doch sollten die Wünsche des Besitzers nicht an höchster und einziger Priorität stehen, sondern muss auch und vor allem die Würde der Tiere Beachtung finden, die unter diesen Verhältnissen dann leben müssen. Dafür sollte man sich bis zu einem gewissen Grad an der Natur der Fische orientieren, und es ihnen ermöglichen, ihr natürliches Verhaltensspektrum auszuleben. Ist man hierzu nicht in der Lage, so ist auf die Haltung von Zierfischen zu verzichten!
Das ästhetische oder wie auch immer geartete Empfinden des Halters muss im Zweifel also hinter den Bedürfnissen der Fische zurückstehen. Fische sind empfindsame Lebewesen, keine schwimmenden Zierstücke. Sie empfinden Schmerzen, haben einen Überlebensinstinkt. Sie bilden Paare und Sozialverbände und zeigen artspezifische Verhaltensmuster.

Eines davon ist, dass die Tiere sich reproduzieren: viele Arten sind leicht nachzuzüchten und werden daher nicht mehr als Wildfänge angeboten. Sie stammen oft aus fernen Ländern, wo man nicht genau weiß, wie sie behandelt wurden, bis sie in unseren Heimen ankommen. Aus unternehmerischem Interesse versucht man heute zumindest, den Tieren beim langen Transport Stress weitmöglichst zu ersparen. Somit gehören die manchmal kritisierten hohen Verlustraten auf dem Weg vom vietnamesischen Züchter zum deutschen Endkunden heute mehr dem Reich der Gerüchte an, es steht zu vermuten, dass die Todesraten bei unter 3% liegen. (Dreyer/Keppler, 1993)
Es versteht sich, dass dennoch alles getan werden sollte, um Transparenz innerhalb der Lieferkette herzustellen und unnötigen Stress beim Transport der Fische tunlichst zu vermeiden. Nachfragen beim Händler hinsichtlich der Seriosität seiner Bezugsquellen und der ethischen Behandlung seiner „Ware“ signalisieren dieses Interesse.

Die Möglichkeit der Nachzucht durch den Menschen gab diesem auch die Möglichkeit, durch gezielte Selektion nach bestimmten phänotypischen Merkmalen Tiere entstehen zu lassen, die sich hinsichtlich ihrer Genetik oftmals völlig von ihren natürlichen Artgenossen unterscheiden. Bunte Guppies, Schleierschwanz-Goldfische und dergleichen schwimmen nur in Aquarien. In der Natur könnten sie aus naheliegenden Gründen nicht überleben. Es stellt sich also die Frage, inwieweit solche Tiere im Hinblick auf ihr artgemäßes Verhalten eingeschränkt sind. Auch kann das Anzüchten von Merkmalen, die das Tier lächerlich machen oder kurios aussehen, dessen Würde untergraben. Eindeutig zu weit gehen Qualzuchten wie Papageienbuntbarsche, die oftmals genmanipuliert sind oder gar tätowiert werden, wobei man ihnen Farbe in die Haut spritzt, sodass Blumen oder psychedelische Muster auf ihren Flanken prangen. Noch dazu weisen diese Produkte menschlicher Gehirnwindungen Wirbelsäulenverkrümmungen und Maulverkrüppelungen auf, die ihre Existenz vermutlich zu einem qualvollen Dahinsiechen machen. Der Gesetzgeber verbietet übrigens Papageienbuntbarsche, da ihr verändertes Aussehen sie dauerhaft negativ beeinträchtigt.

Im Tierschutzgesetz steht hierzu: „Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten oder durch bio- oder gentechnische Maßnahmen zu verändern, wenn damit gerechnet werden muss, dass bei der Nachzucht, den bio- oder gentechnisch veränderten Tieren selbst oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten.“

Es stellt sich aber zunächst die Frage, wo die Grenze züchterischer Bemühungen verläuft: ab wann verletzt es die Würde des Tieres, sein Aussehen zu verändern? Und ab wann leidet das Tier unter Schleierflossen, einem überlangen Gonopodium oder dergleichen?
Vor allem aber ist die Frage nach der Zuchtform eine Einstellungsfrage des Menschen gegenüber der Natur. Ist es moralisch gerechtfertigt, dass Züchter in ihrem Ehrgeiz die Aufgabe der Evolution an sich reißen, und Arten erschaffen, die einzig in Menschenhand überlebensfähig sind und deren Lebenszweck es ist, das Verlangen des Menschen nach etwas nach seinem Dafürhalten „Schönes“ oder „Kurioses“ zu stillen? Oder geht diese Bewertung von Lebewesen nach ihrer Funktion zu weit?

Im Unterschied zu „niedlichen“ und „flauschigen“ Tieren haben Fische zumindest den Vorteil, dass man sie für gewöhnlich nicht gegen ihre Natur anfassen wird. Vielleicht ist es deshalb einfacher, die Bindung zu ihnen wieder zu kappen. Manche Zeitgenossen sind sich der Verantwortung für ihre Heimtiere nicht bewusst. Manche stellen erst im Laufe der Zeit fest, dass etwa Amanogarnelen über 10 Jahre alt werden können. Dumm gelaufen, wenn man dann schon nach einigen Monaten der Pflege überdrüssig geworden ist. Besonders wahrscheinlich geschieht dies bei Überraschungen zu Weihnachten. Lebende Tiere sind kein Geschenk für Unvorbereitete, und dennoch landen jährlich unzählige Lebewesen unter dem Weihnachtsbaum. Da wäre ein themenbezogenes Buch zur Vertiefung des Interesses die bessere Wahl.

Anderenfalls kann es sein, dass sich das gestörte Verhältnis zwischen Halter und Tier auf ähnliche Weise seinen Ausweg bahnt wie es vielfach nach dem Erscheinen des Trickfilms „Findet Nemo“ der Fall war. Im Film geht es um die hübschen Anemonenfische (Amphiprion ocellaris), manchmal auch als Clownfische bezeichnet. Keinen dieser beiden Namen hört man jedoch Kinder rufen, wenn sie im Zoo vor dem Becken mit den Anemonenfischen stehen, sondern einzig und allein „Oh, schau mal, ein Nemo!“. Auch die Erziehungsberechtigten mischen da kräftig mit, anstatt etwa zu erklären, dass Anemonenfische das Geschlecht wechseln können und „Nemo“ sich somit bald zu einem Weibchen umgewandelt hätte. Was sich daraus mit dem Vater ergeben hätte, ist für Kinderohren auch weniger geeignet...

Es kann gut sein, dass die Intention der Macher war, durch den Film die Wichtigkeit des Riffschutzes zu verdeutlichen. Aus der Flucht der Fische aus dem Aquarium eines Zahnarztes kann man ein Plädoyer für artgerechte Tierhaltung oder gleich eine Absage an die Haltung von Tieren in Gefangenschaft sehen. Bei den meisten Zuschauern ist aber eine andere Botschaft angekommen: nach dem Erscheinen des Films stieg die Nachfrage nach Anemonenfischen als Aquarienbesatz sprunghaft an. Da es aber nicht ganz einfach ist, sich um ein aus einer Laune heraus ohne Fachwissen aufgestelltes Meerwasserbecken adäquat zu kümmern, verflog die Begeisterung zweifellos vielerorts ebenso schnell, wie sie aufgekommen war, was die Motivation zur artgerechten Haltung der Anemonenfische nicht gerade hob. Dann verfiel man auf eine Lösung, die jene jungen Zuschauer des Films gewählt hatten, die schon in Reichweite eines Aquariums waren: sie entließen ihre Fische in die Freiheit. Dachten sie jedenfalls – in Wirklichkeit erwies sich die im Film gezeigte Methode allerdings als Todesurteil für die Tiere. Das Herunterspülen in der Toilette bedeutet nämlich keineswegs die Bereitstellung einer Art Rutschbahn ins Meer, sondern ein grausames Ende durch das Schlagen gegen die Rohrwand. Dies wird traurigerweise wohl dennoch immer wieder als Mittel zur Beendigung der Zeit als Aquarianer verwendet, wenn es nicht so funktioniert hat, wie man dachte. Das ist auf grausame Weise verantwortungslos zu nennen.

Zurück zu dem Beispiel mit dem ins Meer mündenden Toilettenrohr: so direkt stimmt die Verbindung nicht. Dennoch sollten Aquarianer, die sich per definitionem besser mit Wasserchemie auskennen müssten als der Durchschnittsmensch, sich nicht nur im heimischen Aquarium, sondern auch in der Natur mit Gewässerschutz befassen. Wir alle haben die Verantwortung, unsere Gewässer frei von Chemikalien oder Verschmutzungen zu halten. Auch die Überfischung stellt ein großes Problem dar. Gerade als Fischliebhaber sollte man deshalb lieber die Fische im Aquarium bewundern als allzu häufig ihre entfernten Verwandten auf den Teller zu bringen. Auch diese Form des gesamtheitlichen Denkens könnte ein Ansatz der aquaristischen Moral sein.

Besonders abstoßend zeigen sich im Übrigen die Details der Erzeugung unseres Speisefisches: die meisten von ihnen sterben durch Ersticken oder Aufschlitzen der Kiemen einen qualvollen Tod. Nach Angaben des WWF beträgt der Anteil des Beifangs am weltweiten Fischfang zudem 40%. Tonnen von Tieren sterben so nicht nur einen schmerzvollen, sondern auch noch sinnlosen Tod. Aquakulturen sind unterdessen keinen Deut besser: für Fischfarmen werden die letzten Mangrovenwälder unseres Planeten gerodet. Die Aquakulturen verursachen weiterhin ungeheure Gewässerverschmutzungsraten durch Antibiotika und Chemikalien. Durch die Enge und nicht tiergerechten Haltungsbedingungen erleiden die Fische zudem großen Stress. Wer anhand eines Aquariums zu einem besseren Verständnis gegenüber den Kreaturen des Wassers gefunden hat, sollte überprüfen, ob er solche Praktiken wirklich unterstützen will. Abgesehen von der Frage, wie gesund solche Schwermetallkonzentrationen für unseren Körper sein können - worin besteht schließlich der Unterschied zwischen den von uns geliebten Heimtieren und denen in Backteig, der solche Doppelmoral rechtfertigen würde?

Doch zurück zu den Fischen, die wir nur anschauen. Schon aus egoistischen optischen Motiven müsste artgerechte Haltung eine Selbstverständlichkeit sein: artgerecht gehaltene Fische zeigen ein arttypisches, variantenreiches Verhaltensspektrum und sind nicht selten agil und farbig und damit interessanter für den Betrachter. Der Begriff der Artgerechtigkeit ist jedoch schon daher problematisch, dass er Fachwissen erfordert. In Zeiten des World Wide Web ist es aber keine große Herausforderung mehr, viele Haltungstipps zu den Wunschfischen mit wenigen Klicks zu finden. Dennoch zeigen sich selbst hierfür manche zu träge. Häufig mangelt es einem an Bewusstsein, fällt gar nicht auf, dass man sich vor dem Kauf eines Autos viele Gedanken gemacht hat, während die Fische im Baumarkt mit mussten, damit das Kind aufhört zu nörgeln. Nicht wenige solche Fälle landen kurze Zeit später mit Algenproblemen oder Ähnlichem in diesem Forum und suchen Hilfe, weil sich die dürftigen Ratschläge des „Zoofachverkäufers“ als Verkaufsmasche erwiesen haben. Natürlich obliegt es dem Verkäufer, den Kunden nach bestem Gewissen zu beraten, wenn dieser im Begriff ist, sich lebende Tiere anzuschaffen. Dies gilt insbesondere, wenn mit Fachservice und Beratung geworben wird. Doch schuld ist im Endeffekt der Halter. Er übernimmt ab der Übergabe die Verantwortung für das Wohlergehen seiner Schützlinge und muss somit auch eigenverantwortlich überprüfen, ob er den Tieren arttypische Bedingungen bieten kann. Die Beratung durch einen Verkäufer – nomen est omen – während des Herausfangens ist da lediglich ein Feigenblatt.

Wie schon erwähnt ist es bei manchen Arten unmöglich, ihnen mit normalen Mitteln adäquate Haltungsbedingungen zu bieten. Wer also beispielsweise kein Hunderttausende Liter fassendes Großbecken hat, muss wohl oder übel auf die Haltung von Arowanas oder Spatelwelsen verzichten, weil sie in geringeren Volumen einfach nicht genügend Platz haben. Dann ist ein Verzicht auf die Haltung dieser Tiere der Vernunft geschuldet. Manche Arten kann man vielleicht einfach nicht artgerecht halten. Fische, die in zu kleinen Becken gehalten werden, leiden übrigens besonders stark: nicht nur können sie nicht ihre Schwimmfähigkeiten entfalten und ihr Verhalten ausleben. Ist das Becken zu klein, stellen sie das äußerliche Wachstum ein. Die inneren Organe jedoch wachsen weiter – der Fisch stirbt in der Folge einen grausamen Tod.

Der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschland meldete 2010 2 Millionen Aquarienfische und 2,2 Millionen Teichfische in deutschen Haushalten. Offenbar ist der Drang nach einem Stück Natur in den eigenen vier Wänden ungebrochen. Doch es ist die moralische Pflicht eines jeden angehenden und bestehenden Fischhalters, sich immer wieder Gedanken über seine Art der Tierliebe zu machen und sicherzustellen, dass er dem Tier auch wirklich ein Stück Natur bietet. Um dies zu bewerten ist Fachwissen nötig. Dafür sollte dieses Forum mit seinen zahlreichen engagierten und erfahrenen Mitgliedern da sein!

„Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie die Tiere behandelt.“ Mahatma Gandhi

Bildquelle: Mopani

Durchschnittliche Bewertung: 10.0 von 10 Punkten - 1 Stimmen

Kommentare

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Kinder und genervte Eltern...

» Gepostet von Lucifer, 01.08.16, 19:40

Toller Artikel, dass is eine Seite der Aquaristik, über die viel zu wenig geredet wird. Ich kenn dieses Eltern-Kinderphänomen sehr gut. Fast jedes mal, wenn ich im Gartenmarkt bin - die haben eine ziemlich große Aquaristikabteilung mit zum Teil auch kompetentem Personal - sehe ich diese Eltern, die mit ihren Gartenzwergen im Schlepptau zum Verkäufer gehen und sagen: "Guden Morgn, ich hätt gern 6 von den Roten da, 3 von den Blauen und dann noch den da, der der da unter dem Stock sitzt." Manche der Verkäufer versuchen dann noch die Leute zu den Fachbüchern abzudrängen, leider hab ich es aber schon oft genug gesehen, dass die Fische in der Tüte landen und der verdutzte Käufer erst dann erfährt, dass Goldfischgläser, wie das von Oma schon seit einer halben Ewigkeit verboten sind... Deinen Artikel solltest du mal an eine Zeitung weiterleiten, viellleicht kann man ja sowas in Zukunft ein wenig eindämmen.


Kommentar

» Gepostet von Wasserfisch, 16.07.15, 00:27

Hi,
immer wieder habe ich bei a4u diesen Satz gelesen: "Ist das Becken zu klein, stellen sie das äußerliche Wachstum ein. Die inneren Organe jedoch wachsen weiter – der Fisch stirbt in der Folge einen grausamen Tod.".
Woher stammt dies Aussage eigentlich?
Welchen Sinn hätte die reaktion, innerlich weiter zu wachsen?
Hat ifgendjemand sowas schon selber gesehen?
Ich habe es jedenfalls nicht erlebt.
Es scheint mir eher ein copy n paste Märchen zu sein.

_________________
Gruß, Rich


Kommentar

» Gepostet von Mopani, 01.05.15, 10:18

Die Ähnlichkeit des Titels zum Gedicht von Günter Grass ist übrigens Zufall.


Kommentar

» Gepostet von Mopani, 12.04.15, 23:15

Danke Robert!

Ich denke, man kann dir zustimmen.
Deshalb war ich da eher vorsichtig und zurückhaltend, was die Frage "Darf man überhaupt Tiere in Gefangenschaft halten?" angeht.

Es gibt hier viele enthusiastische Fischliebhaber, die viel dafür tun, damit sich ihre Schützlinge wohlfühlen.

Aber wenn ich mich so in der Welt umsehe, sehe ich unter Heimtieren noch viel mehr Leid.
Möge dieser Artikel als Denkanstoß dienen.

vg


Kommentar

» Gepostet von Bartey, 10.04.15, 20:16

Ziemlich guter Artikel, sehr schöne Wortwahl und überragend mit Zitaten und Quellen ausgestattet.

Allerdings fehlt für mich bei dem arttypischen Verhalten ein wichtiger Punkt:
Die Tiere sind nicht nur in einem anderen Umfeld was Wasserwerte, Bodengrund, Pflanzen, Temperatur, Strömung angeht, sondern es gibt zum Beispiel auch keine Fressfeinde.
So ist es oft zu beobachten, dass Schwarmfische im Aquarium (sofern keine Gefahr besteht) kein Schwarmverhalten zeigen. Ist das jetzt artuntypisch?
Finde es sehr schwer, das beurteilen zu können, ob arttypisches Verhalten eine richtige Haltung bedeutet.
Du hast geschrieben: "Was genau artgerecht bedeutet, kann man schwerlich ganz objektiv klären, da man nicht in der Haut des Fisches steckt. Klar ist aber, dass man das im Falle vieler kläglich durchs Leben dümpelnder Individuen auch oft nicht wollen würde."
Man muss auch in die andere Richtung gehen und sagen, dass sie vielleicht (in manchen Fällen, ich will nicht verallgemeinern) ein besseres Leben haben. Keine Fressfeinde, im Optimalfall STÄNDIG und REGELMÄSSIG genießbares Essen.
In freier Wildbahn ist das mit Sicherheit nicht der Fall, da hungern einige Tiere ab, werden schwächer und landen dann als Beute im Maul eines größeren Lebewesens.
Und auch zur Vermehrung möchte ich was sagen: Beim Menschen zum Beispiel sinkt die Reproduktionsrate bei steigender Lebensqualität. Wer sagt denn, dass es bei manchen Fischarten nicht so ist?
Ich habe davon keine fachkundige Ahnung, aber einen Gedanken ist es sicherlich wert.
Ich möchte mich auch davon distanzieren, dass Haustiere es in "Gefangenheit" besser haben als in freier Natur, aber nach meinem Geschmack wird da etwas zu oft nur auf die negativen Eigenschaften eingegangen.

Aber wirklich toller Artikel! Hat viel Spaß gemacht ihn zu lesen und ich gebe dir auch anhaltslos in allem Recht, was geschrieben steht.

LG Robert

_________________
Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.
Albert Schweitzer

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