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Aquarieneinrichtung | 28.02.10, 19:15

Stelzen, Springer, Spucker und mehr: das Mangrovenaquarium

Meist ist in der Aquaristik eine Einteilung in zwei Sparten ersichtlich: Süß- und Meerwasseraquarianer leben mit dem nassen Element. Doch wie so oft gibt es auch bei den Wassertypen einen Mittelweg: Brackwasser. Besonders aus den Mangrovenwäldern kennt man viele interessante Lebensformen. Und die sind nicht so schwer zu pflegen.

Ein Artikel von Mopani.

Stelzen, Springer, Spucker und mehr: das Mangrovenaquarium
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Schlammspringer sind recht beliebt.

1. Biotope
„Brackwasser“ bezeichnet ein Gemisch aus Süß- und Salzwasser. Wenn Flüsse ins Meer münden, fließt Meerwasser etwas ins Flussdelta hinein, während Süßwasser in den Ozean vordringt. So entsteht Brackwasser, das sehr unterschiedliche Zusammensetzungen und hohe Schwankungen des Salzgehalts aufweisen kann. Die Bewohner solcher Gewässer mussten sich zum Überleben unter solchen Bedingungen stark anpassen: sie vereinen in sich Methoden von Meeres- und Binnenwassertieren, was den Salzhaushalt angeht. So konnten sie sich ein sehr nahrungsreiches Gebiet erschließen. Werfen wir nun einen Blick auf ein äußerst wichtiges Ökosystem, das sehr skurrile, für die Aquaristik interessante Arten hervorgebracht hat.


2. Mangrovensümpfe
Im Grunde besteht so ein Magrovenwald nur aus Bäumen und Boden. Letzterer ist sehr fruchtbar und tritt in einer sandig-schlammigen Konsistenz auf. Hier geht zum Beispiel der Schlammspringer auf Nahrungssuche. Um auch unter dem Einfluss der Gezeiten fest im Boden verankert zu bleiben, treiben die Bäume starke, lange Stelzwurzeln aus. Ein sichtbarer Teil ragt aus dem Substrat heraus. Wurzeln im Schlamm haben nur die Aufgabe der Stabilisierung, da um sie herum ein sehr sauerstoffarmes Milieu herrscht.

Um die Zellen dennoch zu ernähren, haben die Magroven ein spezielles Sauerstofftransportsystem entwickelt. Im oberen Teil der Wurzeln werden Nährstoffe aufgenommen. Um den dem salzhaltigen Wasser entzogenen Mineralstoffanteil wieder auszuscheiden, verfügen die Pflanzen über spezielle Drüsen in den Blättern. Dann noch überschüssige Salzreste werden in Blätter oder Rindenstücke eingelagert, die ohnehin bald abgeworfen werden. Bereits zu vor wurde der Großteil der Salzspuren im Wasser von der Aufnahme abgeblockt oder wieder entfernt. Da andere Pflanzen nicht so gut angepasst sind, können sie hier kaum überleben. Wasserpflanzen sind so kaum bekannt, lediglich einige wenige wie z.B. Cryptocoryne ciliata haben sich einen Platz erkämpft. Viele Mangrovenbewohner würden sie auch verspeisen. So schaffen verschiedene Mangrovenarten etwas flussaufwärts oder auf großen Wasserflächen einzigartige und ungewöhnliche Ökosysteme. Das Wasser hier weist einen mehr oder weniger hohen Salzgehalt und manchmal Huminstoffanteile auf. Außer bei den Gezeiten wird es kaum bewegt. Bei Ebbe zieht sich das Wasser reißend zurück, doch selbst dann wird kaum Bodengrund aufgewühlt. Durch dessen Festhalten betreiben Mangrovengürtel Küstenschutz.

Auch für den Tierschutz sind sie sehr wichtig. Denn sie stellen für viele Jungtiere aus Süß- und Meerwasser die Kinderstube dar. So entwickeln sich beispielsweise die Larven der Rennschnecken (Neritina spp.) hier. Die einzigartigen Dauerbewohner sind durch ihre Anpassung oft recht bizarr: Fische, die an Land herumhüpfen (Schlammspringer), solche, die ihre Beute von Ästen spucken (Schützenfisch), Vögel, Insekten und sogar schwimmende Affen und andere Säuger sind hier zu Hause. Mangrovenbäume halten ihnen das Wasser sauber und sorgen für Verstecke und Nahrung.


3. Bizarre Lebensformen
Bereits erwähnt habe ich Schlammspringer (Periophtalmus babarus,spetemradiatus,etc.), der durch seine besonders starke Anpassung auffällt. Der zu den Grundeln (Gobioides) gehörende Fisch hat mit Flüssigkeit gefüllte Hautzellen. So kann er bei Ebbe und über Wasser Nahrung suchen, da er so dem atmosphärischen Druck gewachsen ist, nicht austrocknet und mit Hilfe von Hautatmung mit genügender Sauerstoffversorgung den Schlick durchsuchen kann. Auch viele andere Grundeln leben im Brackwasser,sind aber nicht mit diesen Gaben ausgestattet. Im Aquarium werden Schlammspringer recht zahm, sodass sie sich sogar aus der Hand füttern lassen. Diese Eigenschaft und ihr lebhaftes Herumhüpfen zieht Aufmerksamkeit auf sich. Leider brauchen sie wegen innerartlicher Aggressionen viel Platz, um artgerecht in einer Gruppe gehalten werden zu können.

„Plitsch!“-ein Wasserstrahl schießt hoch und trifft eine Grille, die es sich auf einem Zweig über der Wasseroberfläche zu gemütlich gemacht hatte. Das Insekt fällt ins Wasser und wird sofort gefressen...von einem Schützenfisch (Toxotes spp.). Bis zu 1,5 Meter hoch können die Südostasiaten ihre Beute mit ungeheurer Präzision treffen. Die Tiere werden um 20 Zentimeter lang. Wie Überlebende der Urzeit sehen die Krabben (versch. Gattungen, z.B. Goesesarma) aus. Mit leuchtenden Farben und geringer Größe sind die begabten Kletterer mit ihrem feinen Instinkt ein Hit unter den Brackwasserarten. Besonders beliebt, aber nur selten in Brackwasser gehalten sind Mollies und Segelkärpflinge (Poecilia sphenops, velifera). Die Zähne von Kugelfischen knacken Muscheln und Schnecken. Auch Argusfische (Scatophagus argus), Silberflossenblätter (Monodactylus) und manche Kärpflinge (Aplocheilichthys spilauchen) sowie Minihaie (Ariopsis seemanni-Vorsicht vor der Endgröße!) sollen genannt werden.


4. Die Kettensäge läuft...
...und zerstört lärmend diese paradiesischen Biotope. Zur Brennholzgewinnung und um Nutzfläche zu kultivieren werden Mangroven gerodet. Besonders in Asien ist dieses Vorgehen zu beobachten. Alle erähnten Vorzüge und Besonderheiten (Kinderstube für Fische, Küstenschutz, einzigartige Tierwelt und natürlich CO²-Beseitigung) fallen so zunehmend weg. Erbarmungslos und ohne die Gefahr zu erkennen rauben die Menschen ihren Lebensraum aus und zerstören ihn. Erst recht als Aquarianer sollte man sich deshalb für den Schutz solcher Schätze der Erde engagieren, etwa, indem man Umweltschutzorganisationen unterstützt. Diese profitieren von jeder noch so kleinen Spende.

LASSEN SIE DIE ZERSTÖRUNG VON MAGROVENSÜMPFEN UND ANDEREN ÖKOSYSTEMEN NICHT ZU! WENDEN SIE SICH AN UMWELTSCHÜTZER!


5. Das Biotopaquarium „Mangrovengebiet“
Im Wasser ziehen ruhig Schützenfische mit silbern schillernden Schuppen ihre Bahnen, das Flachwasser wird von filigranen roten Krabben belebt, auf dem Landteil ruhen sich Schlammspringer auf einem Stück Schwemmholz aus. Eine tolle Idylle.

Besnders bietet sich hier das Biotopaquarium als Beckentyp an. Durch die brackige Wasserbeschaffenheit und die Ansprüche der Bewohner sind manche Einrichtungsmuster nahezu selbstverständlich. So wird man auf Bepflanzung eher verzichten. Sie würde zertrampelt, gefressen oder verkümmern. Charakteristisch ist die Einteilung des Beckens in Tiefwasser- und Flachwasserzone, optional ist auch ein Landteil mit von der Partie. Je nach der Art, die zu halten man wünscht, muss die Landzone bis zu einem Drittel der Aquarienfläche umfassen. Man kann einfach nach einer Seite den Bodengrund ansteigen lassen. Aber nicht zu steil,damit die Tiere leicht aus dem Wasser kommen. Als Substrat wird man Sand verwenden. Krabben graben im Landteil aber lieber in einem Sand-Erde-Gemisch, weshalb man eventuell batseln muss.Denkbar wäre ein eigehängter Kasten oder ein trennender Glas- oder Plexiglasstreifen zwischen Nass und Trocken, damit die Erde nicht gammelt.

SCHWIMMPFLANZEN KÖNNEN DEN LANDTEIL NICHT ERSETZEN!

Besonders interessant ist die Kultivierung echter Mangrovenpflanzen: es gibt verschieden Arten, die man als kleine Bäumchen oder Samen im Internet bestellen kann. Diese Mangroven haben eine tolle Filterfunktion. Man pflanzt sie in Töpfe oder tiefen Bodengrund, wo man ihnen intensive Beleuchtung (HQL-Spots) angedeihen lässt.Ergänzen oder ersetzen kann man dies mit robusteren Wasserpflanzen und seknrecht stehenden Wurzeln oder Ästen. Das Wurzelholz sollte aus dem Zoofachhandel stammen. Reisig muss bereits abgestorben und völlig trocken sein. Man testet dies, indem man es an der dicksten Stelle zu brechen versucht. Dies sollte leicht von der Hand gehen. Uferaufbauten können mit Schwemmholz und Steinen verstärkt werden. Je flacher der Landteil angelegt ist, desto stabiler ist die Konstruktion. Doch man sollte sich bemühen, nicht zu viel Volumen durch Bodengrund zu verdrängen. Beim Besatz ist die oft nicht geringe Endgröße zu beachten. Die Beckengröße,die solche Tiere mindestens brauchen, reicht also vom nano bis zum Schaubecken im Zoo. Brackwasserbewohner sind leider oft schwer erhältlich. Viele Aquarianer fürchten sich wohl vor den hohen Ansprüchen. Doch salziges Wasser tötet Keime ab und die angepassten Tiere sind meist recht robust.

BITTE INFORMIEREN SIE SICH VOR DEM KAUF ÃœBER DIE ANSPRÃœCHE IHRER FAVORITEN!

Vorteilhaft beim salzigen Brackwasser ist übrigens, dass man die Filterung mit der aus dem Meerwasser bekannten, hocheffektiven Eiweißabschäumung unterstützen kann. Um das Wasser für seine Schützlinge biotopgerecht vorzubereiten, sucht man sich eine Quelle für sauberes Wasser (meist Leitungswasser). Des Weiteren wird spezielles Salz benötigt, wie es auch für Meerwasseraquarien zur Anwendung kommt. Beides (nach Herstellerangaben zusammenmischen) wird zusammen in einem Behälter 48 Stunden lang belüftet.

Wenn man den gewünschten Besatz kauft sollte man die vom Händler verwendete Salzmenge pro Liter erfragen: oft werden die Tiere in Süßwasser gehältert, doch dies ist auf dauer nicht empfehlenswert. Man sollte die Tiere langsam an den von einem selbst gewünschten Salzgehalt umgewöhnen.

Insgesamt also lohnt sich die Anlage eines Mangrovenaquariums. Interessante Tiere und ein einzigartiger Biotopcharakter werden das Wohnzimmer verschönern. Man kann sogar mit Wasserreservoirs und zeitschaltuhrgesteuerten Pumpen die Gezeiten repräsentieren, die im 6-Stunden-Rhythmus einsetzen sollten.
Viel Spaß beim Staunen und Entdecken wünscht Mopani!

Bildquelle:

Das Bild basiert auf einem Bild aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist der Urheber des Bildes verfügbar. Direktlink zum Bild in der Wikipedia: [link]

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Kommentare

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Kommentar

» Gepostet von Mopani, 04.10.10, 16:41

SCHÃœTZT DIE MANGROVEN-ESST WENIGER SHRIMPS!!!
Danke.vg


Kommentar

» Gepostet von Mopani, 17.05.10, 14:26

:thx:


Kommentar

» Gepostet von Niklas.B, 16.05.10, 17:36

:thumb:

_________________
Mein 240 Liter Südamerika Becken [link]


Kommentar

» Gepostet von Blacky, 04.03.10, 18:44

Es gibt schon einige Brackwasseraquarianer, die halten sich aber eher abseits der Massenforen auf...

Übrigens war Brackwasser das Thema der Amazonas Ausgabe Nr.17, dort sehr gut umschrieben, wer Englisch kann dürfte auch das BrackwasserFAQ weiterhelfen: [link]


Kommentar

» Gepostet von Mopani, 02.03.10, 17:48

Darkpunk87 hat Mangroven (die Pflanzen),aber im normalen AQ.
vg


Danke!

» Gepostet von Mopani, 02.03.10, 17:45

Hallo!
Ja, ich auch, auch bei uns,aber ich habe die User nicht mehr gefunden.
vg


Beispielaquarium?

» Gepostet von M&M, 01.03.10, 19:40

Hallo!
Toller Artikel!
Gibt es zufällig jemanden, der so ein Aquarium hat?
Ich habe mal irgendeins gesehen, bloß in welchen Forum war das... :confused:
MfG. Malte

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