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Aquarieneinrichtung | 13.11.09, 23:52

Das Biotop-Aquarium

Dieser Artikel befasst sich mit der Thematik der Biotop-Aquaristik. Es wird erläutert, inwieweit sich solche Becken von den anderen unterscheiden, was beim Aufbau und der Pflege zu beachten ist und einiges mehr.

Ein Artikel von Segelkärpfling.

Inhaltsverzeichnis

I. Definition
II. Planung und Information
III. Aufbau des Biotops



I. Definition

Um die Bedeutung eines Biotop-Aquariums zu erläutern ist es notwendig, den Begriff "Biotop" zu erklären. Der oder das Biotop ([gr.] bíos „Leben“ und tópos „Ort“) ist der Lebensraum einer Lebensgemeinschaft (Biozönose). Ein Biotop ist die kleinste Einheit der Biosphäre. Ein Biotop unterscheidet sich vom Habitat (=Lebensraum), welches nur durch eine Art oder Individuum definiert wird.
In der Aquaristik wird das Biotop-Aquarium oft falsch verstanden oder auch mit gänzlich anderen Formen der Aquaristik gleichgesetzt. Folgende Begriffe sind nicht mit dem Biotop-Aquarium zu verwechseln:

1. Gesellschaftsbecken
Auch wenn sich die Gesellschaft aus Arten zusammensetzt, die aus dem gleichen Kontinent, dem gleichen Biom oder dem gleichen Land kommen, ist es nicht zwigend ein Biotop-Aquarium. Demnach handelt es sich bei den meisten Südamerika-, Malawi-, Tanganjika-, Asien-Aquarium u.a. nicht um echte Biotop-Nachbildungen.

2. Artenbecken
Es liegt nahe dass es sich hier um ein biotop-ähnliches Aquarium handelt. Dies muss jedoch nicht zwangsläufig so sein, da das Artenbecken sich zwar auf eine ganz bestimmte Art spezialisiert und für diese Art womöglich das passende Biotop darstellt, aber zusätzliche fremde Arten durchaus auch eingesetzt werden können.

3. Naturaquarium / Aqua-Scaping
Die Natur-Aquaristik ist ein irreführendes Wort, da sich der Themenkomplex von der japanischen Gartenarchitektur, gepaart mit Elementen aus der Momentfotografie, zusammensetzt. Die Natur wird in solchen Becken lediglich geformt, um dem Auge des Menschen zu gefallen. Die Zusammensetzung der Arten (sofern vorhanden) ist vollkommen beliebig.

4. Holländisches Aquarium
Diese Aquarienart kann man mit Biotop-Aquarien nicht verwechseln. Sie sind ähnlich wie die Naturaquarien hauptsächlich zur aquatischen Gärtnerei gedacht. Tierischer Besatz ist nur optional.

5. Zuchtbecken
Das Zuchtbecken ist im Regelfall ohne Einrichtung. Hier ist es nur Sinn und Zweck die temporär eingesetzte Art zu vermehren und die Jungtiere anschließend aufzuziehen.

Gesellschaftsbecken und Artenbecken können durchaus auch gleichzeitig Biotop-Aquarien sein, demnach handelt es sich bei dem Begriff des Biotop-Aquariums nur um eine Überkategorie, die die verschiedensten Becken umfassen kann.


II. Planung und Information

Will man ein Biotop-Aquarium aufbauen, ist es zwingend erforderlich, sich über das gewünschte Biotop zu informieren. Ein irreführender "Vorteil" der Biotop-Aquaristik ist der Satz: "Arten aus der gleichen Umgebung haben die gleichen Anforderungen und verstehen sich naturgemäß." - dies ist absolut falsch!
Ein Biotop darf man nicht als Mini-Paradies ansehen, in dem alles wunderbar läuft und alle Tiere und Pflanzen in Frieden zusammen leben. Es ist ein, meist in sich geschlossener, Lebensraum, der verschiedene Nischen für vollkommen verschiedene Arten bietet, der Nahrungskonkurrenten sowie Räuber und Beute beinhaltet. Auch Parasiten sind hier ein Thema. Ich habe versucht hier mal ein paar Regeln aufzustellen, die man bei der Planung beachten sollte:

1. Räuber-Beute-Verhältnis nicht nachstellen
Zwar ist es das oberste Gebot in der Natur, dass der Stärkste überlebt, aber in der künstlichen Haltung darf man keine natürlichen oder unnatürlichen Räuber-Beute-Verhältnisse nachstellen. Dies wird durch das Tierschutzgesetz verboten und als Tierquälerei betrachtet. Zudem ist ein Räuber in einem stark eingeschränkten Lebensraum, wie dem geschlossenen Aquarium, in einem entscheidenen Vorteil und wird als bald seine Beute restlos vernichtet haben.

2. Nahrungskonkurrenten nicht zusammenhalten
In der Natur herrscht in den meisten Biotopen eine Konkurrenz zwischen zwei oder mehreren Arten, die die gleiche oder sehr ähnliche Futterquelle benötigen. Wie bei Punkt 1 ist hier das Gesetz des Stärksten im Aquarium nicht nachzustellen. Die Art, die im Nachteil ist und selbst durch übermäßige Fütterung nicht mithalten kann wird vor sich hin vegetieren und mit der Zeit verhungern. Natürliche Biotope sind oftmals groß genug mehrere Arten mit ähnlichen bedrüfnissen zu beherbergen. Im Aquarium können solch ähnliche Arten nur bei Verträglichkeit und angemessenen Futterportionen zusammengehalten werden.

3. Für Nahrungsspezialisten sorgen
Manche Biotope besitzen Spezialisten in der Nahrungsaufnahme. Beispielsweise Filtrierer, Aufwuchs- und Algenfresser, reine Pflanzen- sowie Fleischfresser. In den meisten Aquarien leben opportunistische Allesfresser. Reine Fleisch- und Pflanzenfresser sind in der Hobbyaquaristik eher selten. Filtrierer und Aufwuchsfresser werden meist falsch gehalten und letztere werden meist als "Saubermänner" missbraucht. Möchte man in seinem Biotop-Aquarium für solche Spezialisten sorgen ist der Einfachkeit halber zur Arthaltung zu empfehlen. Viele Spezialisten können aber auch mit einigen wenigen Arten auch in einem gesellschaftlichen Biotop-Aquarium leben. Wichtig ist der regelmäßige Nahrungsnachschub. Dies dürfte sich bei echten Aufwuchsfressern als schwierig gestalten, doch meist nehmen diese Arten mit der Zeit auch Ersatzfutter an. Filtrierer sind oft zu füttern, da sie den ganzen tag über winzige Mengen vertilgen. Kaltblütige Raubtiere (Wirbellose, Fische, Amphibien und Reptilien) benötigen im Vergleich zu Warmblütern (Vögel und Säugetiere) nur vergleichsweise wenig Nahrung. Bei manchen Arten reicht dann sogar eine wöchentliche Fütterung. Pflanzenfresser ernähren sich oftmals von eher nährstoffarmen Futtermitteln, die sie in ihren langen Därmen gut verdauen. Die Nahrung sollte hier möglichst frisch sein und ausreichend Ballaststoffe beinhalten.

4. Die Begriffe Biotop und Habitat können sich widersprechen
Auch wenn man einen Fluss oder einen See als aquatisches Biotop sieht, kann man nicht alle Bewohner in einem einheitlichen Becken halten. Man sollte zum Wohle der Tiere darauf achten, dass ein grobgefächertes Biotop aus vielen kleinen Biotopen bestehen kann. Im Beispiel des Flusses gibt es (vereinfacht!) Stromschnellen, bewachsene Uferzone, Freiwasser und Bodengrund usw., eventuell sogar temporäre Überschwemmungsgebiete. Der See besteht auch aus unterschiedlichen Zonen, beispielsweise findet man die meisten im Handel erhältlichen Malawi-Buntbarsche im Felsen-Littoral, während auf ufernahen Sandbänken und im freien Seewasser ganz andere Fische leben. Es ist wohl selbstverständlich, dass man keinen stromlinienförmigen Fisch aus einem stark strömenden Bereich eines Flusses mit einem filigranen und zarten Bewohner der Uferzone des gleichen Flusses vergesellschaften kann.


III. Aufbau des Biotops

Man muss stets beachten, dass ein Biotop-Aquarien, so naturnah wie es auch sein mag, niemals ein vollwertiges in sich geschlossenes Biotop darstellt. Es ist und bleibt ein Produkt eines oder mehrere Menschen und kann ohne Einwirkungen von Außen nicht überleben.
Es müssen beim Aufbau auch meist Abstriche gemacht werden, da man sicherlich nicht an Steine aus dem Tanganjika-See, Wasserpflanzen aus dem Rio Xíngu oder Wasserschnecken aus Australien kommt. Es ist entscheidend, inwiefern man eine Haarspalterei betreiben will. Auch in einem Biotop-Aquarium kann auf Dinge zurückgegriffen werden, die dort eigentlich nicht vorkommen - schließlich hat man auch kein Aquarium ohne Glas und Filter.
Über Pflanzen, die dort nicht vorkommen, lässt sich streiten. Pflanzen die vorkommen, können im Laufe der Evolution sogar Abwehrstoffe gegen ihre tierischen Mitbewohner entwickelt haben, die bisher nicht erforscht sind. In den meisten Fällen stehen Wasserpflanzen aus dem gleichen Biotop auch in sehr starker Konkurrenz und "bekämpfen" sich gegenseitig mit Giftstoffen. Hier ist also stark zu überlegen, ob man Perfektionist bleiben will oder ein lebensfähiges Aquarium aufbauen möchte.
Selbstverständlich sollte man sich über die vorherrschenden Wasserwerte des jeweiligen Biotops schlaumachen. Doch man muss auch einsehen, dass diese wohl kaum zu realisieren sind. Eine Annäherung an diese ist nicht verkehrt, aber viele Tierarten nehmen es in der Tat nicht allzu ernst, ob das Wasser jetzt 4° härter oder weicher ist. Schließlich haben sich die meisten Fische zu anpassungsfähigen Tieren entwickelt, die auch Veränderungen überstehen können. Bei hochspezialiserten Arten ist dies natürlich etwas anderes, sie sind auch die ersten, die aussterben, wenn ihr Biotop zerstört wird.

Über Fragen, Anregungen und Kritik würde ich mich sehr freuen

in diesem Sinne. Viel Spaß beim Lesen und im Hobby!

Durchschnittliche Bewertung: 10.0 von 10 Punkten - 2 Stimmen

Kommentare

Hier können Community-Mitglieder Kommentare verfassen.

Kommentar

» Gepostet von Blacky, 14.11.09, 22:40

Tach Rich,
ich meine dass so wie ich das geschrieben hab :lol:

Na ja ich meine einfach ein Becken mit ner fetten Pflanze in der Mitte, die eben über den Wasserspiegel hinaus wächst, unten rum einige Wurzeln und Blätter und eben ein paar Fische die dort herumkreisen. So stell ich mir zumindest ruhigere Zonen/Tümpel in Brasilien und co. vor. Und eine solche Umsetzung hab ich bisher nicht gesehen!


Kommentar

» Gepostet von Segelkärpfling, 14.11.09, 22:31

Hi Rich, danke für's Feedback.
Derzeit läuft mein 540er als Biotop-Aquarium, sofern ich's pflanzentechnisch nicht so eng definiere. Mein nichttechnisches Garnelenbecken ist eher ein Artenbecken.
Eventuell füg ich mal ein Bild von meinem Becken dazu, ist aber recht schwierig zu fotografieren.
Das Räuber-Beute-Verhältnis halte ich persönlich für selbstverständlich, da es andererseits Tierquälerei für das Beutetier ist. Bei räuberisches Arten sollte man die Futtertiere speziell dazukaufen oder züchten und nicht zu lange mit dem Räuber im gleichen Becken schwimmen lassen. Ich find's auch immer unschön, wenn gegen junge Guppies und dergleichen andere räuberische Fische empfohlen werden...


Kommentar

» Gepostet von Wasserfisch, 14.11.09, 22:23

Hallo Adrian,
interessanter Artikel.
Verwundert hat mich:
"1. Räuber-Beute-Verhältnis nicht nachstellen".
Ich glaubte bisher, dass dies dazu gehöre (jedoch ohne Sachverstand, sondern wahrscheinlich eher in Unsachkenntnis)?
Auch der Hinweis auf für`s menschliche Auge nachgestellte Natur und auf die wenig zweckmäßge Haarspalterei gefallen mir....
Übrigens hätten auch mich hier Fotos interessiert. Hast DU nicht mal ein technikfreies Becken vorgestellt? War das ein Biotop-Becken?


@Pierre,
was meinst Du mit:
"Wenn ich mal auf ein Becken stoße, in dem nur eine Echinodorus aus dem Wasser wächst und unten drunter Salmler ihre Bahnen ziehen......"?
Echinodorus wächst doch ganz von selbst aus dem Wasser heraus!? bis in den Leuchtkasten, wo ihre Blätter verdorren :-|

Oder ist's wieder mal ein Witz, den ich nicht verstehe? ;)

Gruß, Rich

_________________
Gruß, Rich


Kommentar

» Gepostet von Blacky, 14.11.09, 11:48

Na ja, müssen ja nicht super dolle Becken sein, sondern sollten eben nur eine gewisse Vorstellung, wie das ganze in der Umsetzung aussieht, geben.

Wenn ich mal auf ein Becken stoße, in dem nur eine Echinodorus aus dem Wasser wächst und unten drunter Salmler ihre Bahnen ziehen, oder ein Malawibecken in dem nur ein paar flache Steine liegen... meld ich mich. Bilder wird aber wirklich schwierig, ne Verlinkung sollte aber reichen.


Kommentar

» Gepostet von Segelkärpfling, 14.11.09, 11:31

Hi Blacky,

danke für's Feedback. Bilder wär schon ne Sache, aber woher nehmen? ;) Definiert man streng, erfüllt mein Becken auch nicht alle Merkmale eines Biotopbeckens.
Mit den Infos ist das auch eine Sache... die verlässlichsten bekommt man wohl, wenn man sich das Biotop selber anguckt. Ansonsten Internet und Literatur, wobei man da nicht allzuviel findet.
Auf Fishbase.com gibt's eine Funktion, in der man Fische aus dem gleichen Biotop aufführen kann, die Auswahl ist aber recht begrenzt. Ansonsten gibt's auch noch den von dir eröffneten Thread.
Mit den submersen Pflanzen hast du recht, die kommen eigentlich nur in der Uferzone, Überschwemmungsgebiet und eventuell in flachen Seen und flachen Bachläufen vor.


Kommentar

» Gepostet von Blacky, 14.11.09, 10:32

Tach,
:wink: Für den Anfänger oder den ein oder anderen Aquarianer wäre es sicher noch interessant woher er die Informationen zum bevorzugten Lebensraumes des Fisches bekommt.

Zu 2.4 Ich sehe das Hauptproblem in der Nachbildung eines Biotops eben in den unterschiedlichen Gegebenheiten eines Flusses. Ein Fisch, der die meiste Zeit im Bereich der Stromschnellen schwimmt, begibt sich dann doch evt. zum Laichen oder "ausruhen" flussabwärts in ruhigere Gebiete. Dass können wir bisher wohl kaum nachbilden.


Bei den Pflanzen ist es ja so, dass die meisten Sumpfpflanzen sind und während der Regenzeit submers vorhanden sind. Zum Beispiel Echinoderus oder Cryptocorynen. Daher wäre es hier sinnvoller sich zum großteil auf Überwasservegetation zu beschränken, deren Wurzeln ins Wasser ragt oder die aus dem Wasser selbst herauswächst, Problem hier ist es nicht nur die passenden Pflanzen zu bekommen, sondern auch die Luftfeuchtigkeit. Ansonsten bleibt das habitatnahste übrig: Algen.


Schön fände ich noch ein paar Bildliche Beispiele von Biotopbecken, ansonsten :wink:


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